Die Bundesregierung muss den nationalen CO2-Preis für Gebäude und Verkehr schneller als geplant erhöhen. Das würde auch ihre Rolle in Europa stärken, argumentiert Ottmar Edenhofer.
Die geplante Novelle des Gebäudeenergiegesetzes spaltet das Land: Ab 1. Januar 2024 soll jede neu eingebaute Heizung mit mindestens 65 Prozent erneuerbarer Energie laufen. Die vorgegebenen Optionen für den Fall, dass die alte Heizung schlappmacht, empfinden viele als unrealistisch (wie ein Anschluss an ein Fernwärme- oder gar Wasserstoffnetz) oder zu teuer (wie Wärmepumpe oder Hybridheizung), zumal der Gaspreis gerade wieder fällt.
Doch es gibt einen Ausweg: die schnellere Einführung von CO2-Preisen im Gebäude- und Verkehrssektor. Die Ergänzung der Novelle kann die nationale Blockade lösen – und Deutschland in Europa klimapolitisch wieder nach vorne bringen.
Der Gebäudesektor hat jetzt schon dreimal hintereinander die jährlichen Grenzen für CO2-Emissionen überschritten, die die schwarz-rote Regierung 2021 im Bundes-Klimaschutzgesetz festgeschrieben hat. Mit diesen Überschreitungen der Grenzen ist auch zu befürchten, dass Deutschland in der EU seine Verpflichtungen nicht einhält und für andere Länder kein glaubwürdiger Partner ist.
Das Klimaschutzgesetz weist die Verantwortung für das Einhalten der Sektorziele den jeweiligen Ministerien zu. Doch die kooperieren unzureichend und halten sich nicht daran. Das Prinzip der Steuerung über die Sektorziele wurde zuletzt bis zur Unkenntlichkeit aufgeweicht.
Die Regierung sollte klare Preissteigerungen für CO2-Emissionen für Gebäude und Verkehr festlegen
Deutschland hat für Gebäude und Verkehr einen nationalen, aber von der Politik eher stiefmütterlich behandelten Emissionshandel. Seit 2021 gilt für fossile Heiz- und Kraftstoffe ein Festpreis für CO2-Emissionen, derzeit 30 Euro je Tonne, der langsam ansteigt. Das ist aber nur eine halbherzige Vorgabe, weil sie keinen ausreichend großen Anreiz für Investitionen in alternative Wärmequellen bietet. Die Regierung sollte deshalb für Gebäude und Verkehr eine Emissionsobergrenze einführen, den CO2-Preis freigeben und einen Höchstpreis definieren, der über die Zeit hinweg ansteigt und weder Politik noch Bevölkerung überfordert. Auch ein steigender Mindestpreis muss festgelegt werden, damit genug investiert wird.
Eine solche Grundsatzentscheidung der Koalition würde viel bewegen – bei kommunalen Netzen ebenso wie bei Wärmepumpen und E-Autos. Der Preispfad kann auch nicht so leicht aufgeweicht werden wie die Sektorziele: Wer aufgrund der skizzierten Preisentwicklung investiert hat, wird sich bei geplanten Änderungen entsprechend wehren.
Gegen das Konzept gibt es zwei Einwände: Ein solcher Preispfad führe zu Protesten und sei deshalb nicht durchzuhalten. Und es dauere zu lange, bis er wirkt. Dazu ist zu sagen: Klimapolitik, ganz gleich welcher Ausrichtung, muss immer sozial ausbalanciert werden. Der hier vorgeschlagene Anstieg des CO2-Höchstpreises, der bis 2030 etwa 200 Euro je Tonne erreichen könnte, brächte dem Staat beträchtliche Einnahmen, die als Rückerstattung an die privaten Haushalte helfen können, dort den Umstieg zu finanzieren.
Und: Der Preis wird beträchtliche Investitionen auslösen, auch Innovationen – von der Geothermie bis zum Einsatz großer Wärmepumpen bei der Fernwärme. Die Wärmewende muss alle Seiten erfassen: Verbrauch und Investitionen, die Banken, die Wohnungsunternehmen, die Kommunen. Gerade hier sollte man die Koordinationsfunktion ausreichend hoher CO2-Preise nutzen.
Mit ehrgeizigeren Vorgaben wäre Deutschland gut vorbereitet auf die EU-Klimapolitik
In einer solchen Gesamtarchitektur ist dann zur Absicherung auch ein gewisses Maß an Verboten und Geboten akzeptabel. Erwarten die Nutzer, dass der CO2-Preis hoch genug steigt, sind die Vorgaben im novellierten Gebäudeenergiegesetz ja letztlich irrelevant – sogar der Austausch von technisch noch intakten Öl- und Gasheizungen erscheint dann womöglich lohnenswert. Und andernfalls verhindern eben diese Vorgaben, dass ab 2024 weiter in künftig kostspielige Öl- und Gasheizungen investiert wird.
Preissteuerung und Ordnungspolitik können zunächst nebeneinander bestehen. Es muss allerdings deutlich kommuniziert werden, dass der Preis mittelfristig das Leitinstrument ist. Auf diese Weise wäre Deutschland gut vorbereitet auf die nächsten Schritte der EU-Klimapolitik: Die Obergrenze im bestehenden EU-Emissionshandel sinkt im Jahr 2040 auf null; 2027 kommt ein zweites Handelssystem für Gebäude und Verkehr, ein Klimasozialfonds soll ärmere Haushalte entlasten, und „Klimazölle“ sollen die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie sichern.
Deutschland könnte 2027 den beschleunigten nationalen Emissionshandel für Gebäude und Verkehr mit dem neuen EU-System koordinieren. Wir würden zweifach gewinnen: Das Erreichen der eigenen Klimaziele wird wirksam über CO2-Preise gesteuert, und wir erfüllen auch die EU-Verpflichtungen.
Erschienen am 30. Mai 2023 auch im „Handelsblatt“.