Trinkwasser statt schmutzige Energie

Die Staaten der Welt subventionieren Kohle, Öl und Gas mit Milliarden. Dabei könnten sie das Geld viel sinnvoller verwenden: für Entwicklung und das Klima.

Kohle, Öl und Gas werden weltweit pro Jahr mit gut 500 Milliarden US-Dollar staatlich subventioniert. Auch die Entwicklungsländer geben dafür viel Geld aus. Doch die Armen haben meist wenig davon: Im Schnitt erhält das reichste Fünftel der Bevölkerung mehr als 40 Prozent der fossilen Subventionen, während für das ärmste Fünftel nur etwa sieben Prozent bleibt.

Angesichts des schon heute spürbaren Klimawandels ist es widersinnig, fossile Brennstoffe weiter zu subventionieren. Täten die Staaten es nicht, könnten sie viel sparen – und das Geld an anderer Stelle weit sinnvoller einsetzen. Sie alle haben sich im Pariser Klimaabkommen verpflichtet, die Erwärmung der Erde zu begrenzen; und indem sie die Agenda 2030 der Vereinten Nationen unterzeichneten, haben sie zugesagt, die soziale und ökologische Entwicklung ihrer Länder voranzutreiben. Um beides zu erreichen, ist eine Reform der umweltschädlichen und ökonomisch ineffizienten fossilen Subventionen dringend geboten.

Wasser, Energie, Sanitär

Was sie bringen könnte, hat das Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) berechnet. Eine interaktive Onlinekarte zeigt, was einzelne Länder mit dem Geld unternehmen könnten, das sie bislang in die Subvention von Kohle, Öl und Gas stecken: Sie könnten in den kommenden 15 Jahren zum Beispiel eine sichere Trinkwasser-, Energie- oder Sanitärversorgung für viele Menschen aufbauen.

In 70 Staaten der Welt könnte man so den Menschen einen universellen Zugang zu Trinkwasser ermöglichen. 60 Staaten könnten alle Bürger mit funktionierenden Sanitäranlagen versorgen, 50 Länder mit Elektrizität. Voraussetzung wäre, dass die Subventionen für die Nutzung fossiler Energieträger stattdessen in den Aufbau dieser Infrastrukturen gesteckt würden. Das würde vor allem Entwicklungs- und Schwellenländern in Asien und Afrika zugutekommen. Diesen Ländern kommt auch eine Schlüsselrolle in der Vermeidung von CO2-Emissionen zu. Für sie ist der stärkste Anstieg der Emissionen zu erwarten. Doch jetzt besteht noch die Chance, den Kurs weg von einer fossilen Energiezukunft hin zu alternativen Energiequellen zu steuern.

Um zumindest die schwerwiegendsten Folgen des Klimawandels zu vermeiden, hat sich die internationale Staatengemeinschaft im Pariser Klimaschutzabkommen 2015 das Ziel gesetzt, die globale Erwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius zu begrenzen. Wenn wir dieses Zwei-Grad-Ziel mit hoher Wahrscheinlichkeit erreichen wollen, darf die Atmosphäre insgesamt nur noch zirka 800 Milliarden Tonnen Kohlendioxid aufnehmen. Es lagern aber noch rund 15.000 Milliarden Tonnen an CO2 in Form von fossilen Brennstoffen in der Erde. Mindestens 40 Prozent des Öls, 40 Prozent des Gases und vor allem 80 Prozent der andernfalls genutzten Kohle müssten also im Boden bleiben, um das Pariser Ziel zu erreichen.

Um die Knappheit der Atmosphäre als Deponierraum für Treibhausgase in wirtschaftliche Entscheidungen einfließen zu lassen, müsste der Ausstoß von Kohlendioxid künftig kostenpflichtig sein. Der Abbau der fossilen Subventionen wäre ein erster Schritt dorthin.

Besonders hohe Subventionen bei gleichzeitig hohem Infrastrukturbedarf weisen die Republik Kongo, Simbabwe, Sambia, Kap Verde, Angola und Nigeria auf, sowie die Staaten in Südasien. So müsste beispielsweise Nigeria über 15 Jahre lediglich vier Prozent seiner Subventionen aufwenden, um die 40 Prozent seiner Bevölkerung mit Wasser zu versorgen, die derzeit keinen Zugang haben. Indonesien bräuchte nur vier und Indien 26 Prozent umzuschichten, um die fehlenden 43 Prozent beziehungsweise 65 Prozent der Haushalte an die sanitäre Versorgung anzuschließen. In Indien etwa könnten die noch fehlenden 370 Millionen Menschen Zugang zu Elektrizität erhalten, wenn das Land dafür nur sechs Prozent seiner Subventionen abbauen würde. In vielen dieser Staaten sind die öffentlichen Finanzen in einer derart schlechten Verfassung, dass dringend benötigte Investitionen in die Infrastruktur kaum getätigt werden können.

Ob eine weitreichende Reform der Subventionen für fossile Energieträger erreicht werden kann, hängt jedoch stark von der innenpolitischen Gemengelage in den einzelnen Staaten ab. Die Aussicht, Zugang zu elementarster Infrastruktur zu erhalten und somit der Armut zumindest ein Stück weit zu entkommen, könnte einen wichtigen Baustein für eine breite gesellschaftliche Zustimmung zum Subventionsabbau liefern. In einer Übergangsphase müssten die Subventionen schrittweise abgebaut und kostengünstige Alternativen, wie beispielsweise öffentlicher Nahverkehr, aufgebaut werden. So kann verhindert werden, dass sich für arme Menschen eine Versorgungslücke durch steigende Energiepreise auftut.

Die Industrieländer haben im Rahmen der Nachhaltigen Entwicklungsziele die Verpflichtung übernommen, einen Beitrag zur Armutsbekämpfung zu leisten. Nun sollten sie mit der Umsetzung anfangen – und den Subventionsabbau in den Entwicklungsländern unterstützen, vor allem, wenn diese die frei werdenden Mittel stattdessen in den Aufbau von wichtiger Infrastruktur stecken. Das wäre dann gleich doppelt gut: für die Armutsbekämpfung und die wirtschaftliche Entwicklung.

Dieser Beitrag erschien zuvor auf "ZEIT ONLINE".

About the author(s)
Prof. Dr. Ottmar Edenhofer

Prof. Dr. Ottmar Edenhofer is Director of the Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC), Director and Chief Economist of the Potsdam Institute for Climate Impact Research (PIK), and Professor of the Economics of Climate Change at the Technische Universität Berlin. He also served as Co-Chair of Working Group III of the IPCC’s Fifth Assessment Report.

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Dr. Michael Jakob

Dr. Michael Jakob is an MCC Fellow. His research focuses on the interrelation between climate change mitigation and sustainable socio-economic development. He holds a PhD in economics as well as  degrees in physics and international relations. He is a Senior Fellow at the Ecologic Institut in Berlin.

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