Der Fokus des Klimaschutzgesetzes auf Wälder, Böden und Moore reicht nicht, es muss jetzt auch um geologische CO2-Speicherung gehen.
Die Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre, auch als “negative Emissionen” bezeichnet, ist unabdingbar. Das gilt nicht nur global, bei der Begrenzung des Temperaturanstiegs auf deutlich unter 2 Grad, sondern auch in Deutschland und der EU, beim Erreichen des Ziels der Klimaneutralität. Das hat der Weltklimarat IPCC so klar wie nie in seiner neuesten Standortbestimmung zum Klimaschutz formuliert.
Strategien zur Einhaltung der Paris-Klimaziele ruhen auf zwei Pfeilern. Zum einen muss der Ausstoß von Treibhausgasen schnell und drastisch reduziert werden. Zum anderen muss bereits emittiertes CO2 der Atmosphäre wieder entzogen werden. Das zeigt nicht nur die Auswertung Hunderter Klimaschutzszenarien durch den IPCC, das sagt auch der gesunde Menschenverstand. Denn manche Emissionen lassen sich nur sehr schwer vermeiden und müssen ausgeglichen werden wie zum Beispiel Lachgasemissionen durch den Einsatz von Düngemitteln, Methanemissionen in der Viehwirtschaft oder auch CO2-Emissionen im Flug- und Schwerlastverkehr. Aus ebendiesem Grund streben Deutschland und die EU für die Jahrhundertmitte netto-null Emissionen beziehungsweise Klimaneutralität an.
Und die Weltgemeinschaft ist zudem sehr spät dran mit dem Klimaschutz. Im engeren Sinne kann das 1.5-Grad-Ziel eigentlich schon nicht mehr eingehalten werden. Das verbleibende globale CO2-Budget ist einfach zu gering. Diese wichtige Botschaft des neuesten IPCC-Berichts ist bisher kaum durchgedrungen. Fast alle 1,5-Grad-Szenarien überschreiten die Schwelle zunächst um ein klein wenig (bis zu 0,1 Grad) und bringen den Anstieg der globalen Mitteltemperatur dann im Laufe des 21. Jahrhunderts wieder auf unter 1,5 °C zurück.
Zur Debatte stehen auch chemische Filter und das Verfeuern von Biomasse
Das wird in Modellszenarien durch eine Phase sogenannter netto-negativer Emissionen ermöglicht: CO2-Emissionen fallen nicht nur bis netto-null, sondern danach noch weiter. Dadurch wird der Atmosphäre im Saldo CO2 entzogen, die globale Durchschnittstemperatur geht wieder leicht zurück. So werden bis zum Jahr 2100 mehrere hundert Milliarden Tonnen CO2 wieder aus der Atmosphäre gefiltert und langfristig sicher gespeichert.
Es gibt viele Optionen zur CO2-Entnahme. Hierzulande hat die Aufforstung eine lange Tradition. Bäume nehmen durch die Photosynthese CO2 auf und binden es im Laufe ihres Wachstums. Auch der Humusaufbau in Böden bindet CO2 und wird seit Jahrhunderten betrieben sowie die Produktion und Nutzung von Pflanzenkohle. In den vergangenen Jahren wurden aber zudem erste Demonstrationslagen für neue Verfahren der CO2-Entnahme entwickelt. Chemische Filter können das CO2 direkt aus der Luft entfernen. Es kann dann entweder in langlebigen Produkten wie Baumaterialien dauerhaft gebunden oder in geologischen Speichern eingelagert werden. Oder man verfeuert Biomasse in der Stromproduktion oder in der Industrie, scheidet das CO2 wieder ab und speichert es dann langfristig. An diesen und einer Vielzahl weiterer Methoden wird geforscht, auch in zwei großen Förderlinien des Bundesministeriums für Bildung und Forschung.
Das deutsche Klimaschutzgesetz sieht die gezielte CO2-Entnahme bereits explizit vor. Die für 2045 angestrebte Klimaneutralität soll mithilfe einer Ausweitung natürlicher Senken auf 40 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr erreicht werden – vor allem durch Wiederaufforstung und die Wiedervernässung von Mooren. Ähnlich wie in der EU sollen ab 2050 gar netto-negative Treibhausgasemissionen zu Buche stehen.
Herausforderung für Innovationskraft und Ingenieurskunst
Doch zu Ende gedacht ist all das noch nicht: Es bestehen große Zweifel daran, dass Wälder, landwirtschaftliche Böden und Moore bei fortschreitendem Klimawandel überhaupt CO2 in dieser Größenordnung binden können. Zudem können sich Ökosysteme durch Brände, Wirbelstürme oder Dürren schnell von CO2-Senken in CO2-Quellen verwandeln. Zudem ist die implizite Annahme des Klimaschutzgesetzes, dass Deutschland das Niveau seiner Restemissionen bis 2045 auf nur 40 Millionen Tonnen pro Jahr drücken kann, sehr optimistisch. Seriöse Studien zum Erreichen von Treibhausgasneutralität gehen von 60 bis130 Millionen Tonnen aus, also etwa 5 bis10 Prozent der Treibhausgasemissionen von 1990.
Deutschland braucht jetzt eine politische Debatte und einen realistischen Plan, zur Entwicklung von Fähigkeiten bei Entnahme und Speicherung von CO2, aber auch zu Art und Umfang schwer vermeidbarer Restemissionen. Ein solcher Plan wird die Potenziale von Wäldern, Böden und Moore in den Blick nehmen müssen, aber nun auch skalierbare Verfahren fördern, die das CO2 langfristig und sicher binden. Dabei muss auch das unliebsame Thema der geologischen CO2-Speicherung wieder auf die Agenda. Um das Niveau der Restemissionen zu minimieren, wird die Abscheidung und geologische CO2 Speicherung (CCS) ohnehin schon bald beispielsweise in der Zementindustrie benötigt, bevor es dann auch bei verschiedenen CO2- Entnahmemethoden zur Anwendung käme.
Mehr als hundert Länder haben sich inzwischen ein Ziel von netto-null Emissionen gesetzt, doch nur wenige beschäftigen sich ernsthaft mit der CO2-Entnahme. Mit seiner Innovationskraft und Ingenieurskunst kann Deutschland nicht nur zeigen, dass es das Ziel einer klimaneutralen Volkswirtschaft ernst nimmt und den notwendigen Strukturwandel aktiv gestalten. Durch eine globale Vorreiterrolle würde Deutschland auch einen wichtigen Beitrag zum Erreichen der Pariser Klimaziele leisten. Zeit für eine Kurskorrektur.