Nach dem Kompromiss im Vermittlungsausschuss: Welche Ausgabenschwerpunkte die Regierung setzt, woher sie das Geld nimmt – und welche Verteilungswirkung sie auslöst.
Ein „54-Milliarden-Euro-Klimapaket“ hat die Bundesregierung im September 2019 für die Jahre 2020 bis 2023 auf den Weg gebracht. Mit der Nachjustierung in den Gesetzestexten und vor allem durch die Nachbesserungen im Vermittlungsausschuss im Dezember sind daraus sogar 62 Milliarden Euro Ausgaben geworden. Rund 80 Prozent davon werden durch die CO2-Bepreisung finanziert. Dieser Beitrag liefert Antworten auf zentrale Fragen zu dem Paket – auf Basis der vorliegenden Finanztableaus und der bis Ende 2019 beschlossenen Gesetze und vorgelegten Gesetzentwürfe.
1. Welche Schwerpunkte setzt das Klimapaket?
Die nachstehende Abbildung zeigt, wie sich die 62 Milliarden Euro aufteilen: auf die Jahre 2020 bis 2023 sowie auf die beiden Kategorien „Maßnahmen“ und „Entlastungen“. 75 Prozent des Finanzvolumens werden zur Finanzierung von Maßnahmen, also Ausgabenprogrammen und steuerlicher Förderung aufgewendet (Rot-Töne) und nur 25 Prozent für direkte Entlastungen via EEG-Umlage, Pendlerpauschale, Wohngeld, Mobilitätsgeld und Mehrwertsteuer bei Bahntickets (Grün-Töne). Auch wenn mit den Maßnahmen beispielsweise der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs und der Elektro-Ladeinfrastruktur sowie die Gebäudesanierung finanziert werden, was die Bevölkerung an anderer Stelle entlastet, so ist diese Gewichtung erstaunlich. Schließlich wurde im Vorfeld des Klimapaket-Beschlusses vom 20. September viel darüber diskutiert, wie eine CO2-Bepreisung sozialverträglich eingeführt werden kann, ohne dass ärmere Haushalte überproportional belastet werden. Intensiv diskutiert wurde etwa über eine Klimadividende, mit der die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung an die Bürgerinnen und Bürger zurückgegeben werden können. Mit dem Klimapaket dagegen wird der Schwerpunkt deutlich auf die Finanzierung von Maßnahmen gelegt.
Abbildung 1. Eigene Darstellung und Berechnung. Quellen: BMF (Finanztableau Klimakabinett und Überblick Wirtschaftsplan Energie- und Klimafonds) und Deutscher Bundestag (Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung des Klimaschutzprogramms 2030 im Steuerrecht) und unter Berücksichtigung der Ergebnisse des Vermittlungsausschusses. Die vollen Flächen zeigen dabei solche Ausgaben, die durch die CO2-Bepreisung finanziert werden (durch den neuen nationalen Emissionshandel und durch die Versteigerungserlöse des Europäischen Emissionshandels). Die durch schraffierte Flächen markierten Ausgaben werden direkt oder als Steuer-Mindereinnahmen aus dem Haushalt finanziert.
2. Was genau wird finanziert?
Etwa 60 Prozent Gesamtpakets, nämlich 39 Milliarden Euro, laufen technisch über den sogenannten Energie- und Klimafonds (EKF). Dieser Fonds ist ein zweckgebundenes Sondervermögen, das nur für energie- und klimarelevante Bereiche verwendet werden darf. Er wird im Rahmen der Haushaltsverhandlungen im Bundestag beschlossen. Die nachstehende Abbildung zeigt die genaue Aufteilung der EKF-Ausgaben im Rahmen des Klimapakets. In den Jahren 2020 bis 2023 fließen 14 Milliarden Euro in Maßnahmen im Gebäudesektor. Den zweitgrößten Anteil haben mit 11 Milliarden Euro die Maßnahmen im Verkehrssektor, vor allem für den Schienenverkehr. Die nächstgrößten Posten sind dann schon mit jeweils 3 Milliarden Euro die Strompreiskompensation für die energieintensive Industrie sowie die direkten Maßnahmen im Industriesektor.
Die übrigen 23 Milliarden Euro Finanzvolumen des Klimapakets verteilen sich wie folgt: 7 Milliarden Euro entfallen auf nicht näher spezifizierte Einzelpläne im normalen Bundeshaushalt, 1 Milliarde auf steuerliche Fördermaßnahmen vor allem für die Gebäudesanierung und 15 Milliarden Euro für direkte Entlastung (mehr dazu in Abschnitt 4).
Abbildung 2. Eigene Darstellung. Quelle: BMF (Überblick Wirtschaftsplan Energie- und Klimafonds).
3. Einnahmen: Wie finanziert sich das Paket, welche Rolle spielt die CO2-Bepreisung?
Etwa 80 Prozent der 62 Milliarden Euro Finanzvolumen im Klimapaket, nämlich 51 Milliarden Euro, werden im Zeitraum 2020 bis 2023 durch Einnahmen aus der CO2-Bepreisung gedeckt (volle Flächen in Abbildung 1). Diese 51 Milliarden setzen sich zusammen aus
- 31 Milliarden Euro aus der neuen, ab 2021 einsetzenden CO2-Bepreisung im Wärme- und Verkehrssektor,
- 12 Milliarden Euro aus der Versteigerung von Zertifikaten im Rahmen des bereits seit 2005 bestehenden EU-Emissionshandels (EU-ETS). Diese Versteigerungserlöse fließen schon seit 2013 komplett in den EKF.
- In die Finanzierung des Klimapakets fließen zudem 8 Milliarden Euro Rücklagen des EKF, also Versteigerungserlöse aus früheren Jahren.
Die restlichen 11 Milliarden Euro Finanzvolumen des Klimapakets werden durch Haushaltsmittel und Steuer-Mindereinnahmen finanziert. Die Steuer-Mindereinnahmen waren auch einer der zentralen Streitpunkte im Vermittlungsausschuss. Denn sie müssen zum erheblichen Teil von den Ländern und Kommunen finanziert werden. Allerdings sind Länder und Kommunen nicht nur Belastungen ausgesetzt. Sie profitieren auch erheblich vom Klimapaket, zum Beispiel durch den Ausbau von Radwegen, öffentlichem Nahverkehrs und Ladesäulen-Infrastruktur. Die Kompensation der Verluste bei den Steuereinnahmen erfolgt durch die Kfz-Steuer, die CO2-Differenzierung der Lkw-Maut sowie die Luftverkehrsteuer.
Abbildung 3. Eigene Darstellung. Quelle: BMF (Überblick Wirtschaftsplan Energie- und Klimafonds).
4. Welche direkten Entlastungen wurden für Haushalte beschlossen?
Die nachfolgende Abbildung zeigt die genaue Zusammensetzung der in Abschnitt 1 und 2 bereits angesprochenen 15 Milliarden Euro an direkten Entlastungen im Zeitraum 2020 bis 2023. Diese erfolgen vor allem über die Absenkung der EEG-Umlage und zusätzlich über die Erhöhung von Pendlerpauschale, Wohngeld und Mobilitätsgeld sowie Reduzierung der Mehrwertsteuer bei der Bahn. Den größten Anteil, etwa 80 Prozent gesamten Entlastung, nimmt dabei die Senkung der EEG-Umlage ein. Deren Absenkung kommt nur zu einem Teil den Bürgerinnen und Bürgern zugute: Die EEG-Umlage wird zur Hälfte von Industrie und Gewerbe/Handel/Dienstleistungen gezahlt, und nicht alle werden den nun absehbaren Kostenvorteil an die Kundinnen und Kunden weitergeben.
Abbildung 4. Eigene Darstellung und Berechnung. Quellen: BMF (Finanztableau Klimakabinett und Fragen und Antworten zum Klimaschutzprogramm) und Deutscher Bundestag (Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung des Klimaschutzprogramms 2030 im Steuerrecht).
5. Welche Verteilungswirkung hat die CO2-Bepreisung?
Auf Basis der Haushaltspläne hat das MCC eigene Berechnungen zur Verteilungswirkung der CO2-Bepreisung angestellt. Die nachfolgenden Abbildungen zeigen zunächst die direkten Belastungen durch die CO2-Bepreisung (rote Kurven) und den Netto-Effekt nach dem Regierungsbeschluss (orangene Kurven). Dabei sind nur die direkten Entlastungen berücksichtig, nicht die impliziten Entlastungen über den Ausbau der öffentlichen Infrastruktur. Diese sind schwer zu beziffern, müssten aber für eine vollständige Analyse mit in Betracht gezogen werden.
Die Entlastungsmaßnahmen federn die Belastung aus der CO2-Bepreisung signifikant ab, vor allem in den unteren Einkommensschichten: Dass im Vermittlungsausschusses ein wesentlich höherer Einstiegspreis beschlossen wurde als noch im September vorgesehen (25 Euro statt 10 Euro), wird durch die ebenfalls beschlossene stärkere Senkung der EEG Umlage überkompensiert. Einen noch stärkeren progressiven Verteilungseffekt, also eine Entlastung der unteren und vor allem auch mittleren Einkommen, hätte eine „Klimadividende“ gehabt, also eine Pro-Kopf Rückzahlung der Einnahmen aus der CO2-Bepreisung (siehe Abbildung 5).
Problematisch ist, dass die Mittelschicht relativ gesehen am stärksten belastet wird. Das macht sich bei steigenden CO2-Preisen zunehmend bemerkbar: Bei dem eher geringen Einstiegspreise von 25 Euro pro Tonne CO2 fällt es nicht ins Gewicht, es wird aber zunehmend relevant ab 2026, wenn für die Jahre ab 2025 nicht noch substantiellere Entlastungsmaßnahmen beschlossen werden.
Abbildung 5. Verteilungseffekt des CO2-Preises in den Jahren 2021 und 2025. Dargestellt ist die durch Energieausgaben der Privathaushalte bedingte Belastung in Prozent des Netto-Einkommens 1) bei einem CO2-Preis ohne Entlastungsmaßnahmen (rot), 2) unter Berücksichtigung der entsprechenden Entlastungen durch die EEG-Umlage sowie Erhöhung des Wohngeldes und Anpassung der Heizkostenerstattung von Sozialhilfeempfängern (orange), 3) auf Basis des ursprünglichen Kabinettsbeschlusses von September 2019 mit einem CO2-Preis von 10 Euro für das Jahr 2021 und 35 Euro für das Jahr 2025 unter Berücksichtigung der entsprechenden Entlastungen durch die EEG-Umlage sowie Erhöhung des Wohngeldes und Anpassung der Heizkostenerstattung von Sozialhilfeempfängern (hellblau) sowie 4) bei einer Entlastung über die in der MCC-PIK-Expertise vom Juli 2019 empfohlene aufkommensneutrale Rückerstattung mit einer universellen Klimadividende pro Person (dunkelblau). Die Auswirkung der Förderprogramme sowie der Anhebung der Pendlerpauschale sind nicht berücksichtigt. Quelle: aktualisierte Darstellung basierend auf der MCC-PIK-Bewertung des Klimapakets vom Oktober 2019.
Fazit
Es bleibt festzuhalten, dass die Bundesregierung ein substantielles Finanzpaket für den Klimaschutz geschnürt hat, dessen Volumen sich zum allergrößten Teil aus den Einnahmen der nationalen und europäischen CO2-Bepreisung speist. Der Schwerpunkt der Ausgaben liegt auf der Finanzierung von Maßnahmen. Auch wenn in öffentliche Infrastruktur investiert wird, so kommt die direkte Entlastung für die Verbraucherinnen und Verbraucher zu kurz, und es profitiert beispielsweise nicht jeder von einer Kaufprämie für Elektro-Autos. Hier muss nachgebessert werden, so dass dies bei zukünftig steigenden Preisen nicht zu einer sozialen Schieflage führt. Und so beeindruckend das Finanzvolumen von 62 Milliarden Euro für vier Jahre auch erscheinen mag: Die umweltschädlichen Subventionen in Deutschland betragen laut Umweltbundesamt 57 Milliarden Euro – nicht für den Zeitraum 2020 bis 2023, sondern pro Jahr.