Das Klimaschutzgesetz 2019 hat den Einstieg in eine CO2-Bepreisung als künftiges Leitinstrument der nationalen Klimapolitik eingeleitet, und damit den Weg für eine international koordinierte Klimapolitik erleichtert. Die mit dem Gesetz verbundenen Schwierigkeiten – unerwünschte Verteilungswirkung und unzureichende Anreizwirkung – lassen sich beheben.
Kontext des Klimaschutzgesetzes
Im Abkommen von Paris hat die EU zugesagt, ihre Emissionen bis 2030 um 40 Prozent gegenüber 2005 zu reduzieren. Dadurch ergibt sich für die EU Handlungsbedarf, auf den sie auf zweifache Weise reagiert hat: Erstens hat sie im EU-ETS die Emissionsobergrenze gesenkt, und zweitens hat sie für die außerhalb dieses Systems liegenden Wirtschaftszweige die notwendigen Emissionsminderungen mit der Lastenteilungsverordnung auf die Mitgliedstaaten verteilt. Dabei müssen wirtschaftlich stärkere Länder mehr Emissionen vermeiden als schwächere, sodass die Kosten des Klimaschutzes vor allem von den reicheren Ländern getragen werden.
Die Bundesregierung (2019) setzt nun in ihren Bemühungen unter anderem auf einen Emissionshandel. Laut dem ursprünglichen Gesetzesentwurf sollte dieser im Jahr 2021 mit einem fixen Preis von 10 Euro pro Tonne CO2 beginnen; indes wurde dieser Startpreis im Vermittlungsausschuss auf Drängen einzelner Bundesländer auf 25 Euro erhöht. Bis 2025 soll der CO2-Preis auf 55 Euro pro Tonne CO2 wachsen und ab 2026 im Rahmen eines Preiskorridors von zunächst 55 und 65 Euro pro Tonne CO2 freigegeben werden (siehe Abbildung 1). Die Menge an auszugebenden Zertifikaten soll sich dabei ab 2026 an den Mengenzielen aus der Lastenteilungsverordnung ergeben. Der Preiskorridor für die Jahre nach 2026 wird dabei erst 2025 festgelegt.
Abbildung 1: CO2-Preispfad
Quelle: Darstellung basierend auf Edenhofer et al. 2019b und 2020
Damit hat der Regierungsbeschluss nun eine institutionelle Grundstruktur für einen CO2-Preis geschaffen, die grundsätzlich tragfähig ist. Dennoch setzt sie den Preis noch zu niedrig an – und dessen Anhebung in den Folgejahren ist trotz der Korrektur im Vermittlungsausschuss aller Voraussicht nach unzureichend, um die nationalen Ziele aus der Lastenteilungsverordnung zu erreichen. Basierend auf einem partiellen Gleichgewichtsmodell mit Nachfrageelastizitäten und Baseline-Emissionen für 2030, die sich aus dem neusten Stand der einschlägigen Literatur ergeben, schätzen Edenhofer et al. (2019a) die notwendigen Preise im Jahr 2030 von 70 bis 350 Euro pro Tonne CO2, mit 130 Euro in einem mittleren Basisszenario. Der von der Regierung angestrebte Preispfad liegt indessen unterhalb des Notwendigen (siehe Abbildung 1). Daher werden die CO2-Preise nach 2026 – vermutlich auch schon davor – stark steigen müssen, damit die Ziele erreicht werden. Für die InvestorInnen besteht über die Preisentwicklung nach 2026 eine beträchtliche Unsicherheit. So sieht die entsprechende rechtliche Regelung (Gesetz über den nationalen Zertifikatehandel für Brennstoffemissionen) vor, dass die Zertifikate versteigert werden (BEHG §10). Der Gesetzgeber kann auch nach 2026 einen Preiskorridor beschließen, hat aber die Umstände und Regeln dafür noch nicht näher spezifiziert. So wird trotz der Einführung eines marktwirtschaftlichen Instrumentes Unsicherheit geschafften, die langfristige Investitionen hemmt.
Ordnungsrecht und Fördermaßnahmen
Neben der CO2-Bepreisung setzt die Bundesregierung auf Ordnungsrecht und Fördermaßnahmen als zusätzliche Instrumente, um Emissionen zu senken (Bundesregierung 2019). Der ordnungspolitische Ansatz basiert auf zwei grundlegenden Irrtürmern, die die politische Debatte bestimmen: (1) Durch Ordnungsrecht und Fördermaßnahmen könne der notwendige CO2-Preis gesenkt und Klimaschutz günstiger gemacht werden. (2) Es ließen sich durch diese Maßnahmen regressive Verteilungswirkungen vermeiden, die sich aus einem hohen CO2-Preis ergeben.
Abbildung 2: Verteilungseffekt des CO2-Preises in den Jahren 2021 und 2025
Anmerkungen: Dargestellt ist die durch Energieausgaben der Privathaushalte bedingte Belastung in Prozent des Netto-Einkommens bei 1) einem CO2-Preis ohne Rückerstattung (rot) und 2) mit der nach dem Vermittlungsausschuss vom 16.12.2019 vorgesehen Entlastung durch die Senkung der EEG-Umlage (1,75 Cent/kWh in 2021 und 2,90 Cent/kWh in 2025), Erhöhung des Wohngeldes und Anpassung der Heizkostenerstattung von Sozialhilfeempfängern (orange). Darüber hinaus dargestellt sind die ursprünglich vom Klimakabinett (20.09.2019) beschlossene Entlastung mit einer geringeren Senkung der EEG-Umlage (um 0,25 Cent/kWh 2021 bzw. 1,375 Cent/kWh 2025) bei einem geringeren CO2-Preis (hellblau) sowie die in der MCC-PIK-Expertise (Edenhofer et al. 2019a) empfohlene aufkommensneutrale Rückerstattung über eine gleichmäßige Klimadividende pro Person (dunkelblau). Die Auswirkung der Förderprogramme sowie der Anhebung der Pendlerpauschale sind aufgrund fehlender Daten nicht berücksichtigt. Einkommensquintile beziehen sich auf das äquivalenzgewichtete Haushaltseinkommen.
Quelle: Darstellung basierend auf Edenhofer et al. 2019b und 2020
Bei nüchterner Betrachtung ist nicht plausibel, dass die beschlossenen Maßnahmen im Gebäude- und Verkehrsbereich, die auf private Kauf- und Investitionsentscheidungen zielen, die Kosten des Klimaschutzes senken. Viele Maßnahmen im Bereich Gebäudesanierung, Subventionen der Bahn oder E-Auto- Prämie sind kostenintensiv, dürften aber für den Klimaschutz weitgehend ineffektiv sein und dabei hohe Mitnahmeeffekte verursachen.
Verteilungswirkungen
Die gesamten Verteilungswirkungen der einzelnen Programme lassen sich zwar schwer in ihrer vollen Inzidenz bewerten, doch viele der Fördermaßnahmen dürften regressiv wirken. Weil viele ärmere Haushalte im Durchschnitt einen höheren Anteil an Energieausgaben haben, ist auch die Verteilungswirkung der CO2-Bepreisung ex ante regressiv (rote Linien in Abbildung 2). Doch ex post ergibt sich hier über die Ausgestaltung der Rückerstattung ein großer Spielraum, die Belastung progressiv umzusetzen und soziale Härten weitestgehend zu vermeiden. Nahezu vollständig ließe sich eine Mehrbelastung der unteren Einkommensgruppen umgehen, wenn die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung aufkommensneutral an die Haushalte rückerstattet würden – entweder indem Steuern und Abgaben auf Strom sinken oder durch einen einheitlichen Pro-Kopf-Transfer, wie in der Schweiz praktiziert. Auch mittlere Einkommensgruppen würden in beiden Varianten kaum belastet (Edenhofer et al. 2019a und SVR 2019). Dies ist unter dem Stichwort „Klimadividende“ durch die dunkelblaue Linie in Abbildung 2 dargestellt.
Im ursprünglichen Beschluss des Klimakabinetts vom 20. September 2019 war ein geringer Einstiegspreis von 10 Euro vorgesehen, verbunden mit einer leichten Senkung der Umlage für die Erneuerbaren Energien (EEG-Umlage) sowie der Anhebung des Wohngeldes und der Anpassung der Heizkostenzuschüsse von TransferempfängerInnen. Dies hätte dennoch eine leichte Belastung auch für ärmere Haushalte bedeutet (hellblaue Linien in Abbildung 2). Durch die Anhebung des CO2-Preises im Vermittlungsausschuss erhöht sich einerseits die Belastung für die Haushalte – doch wegen der stärkeren Senkung der EEG-Umlage wird auch ein größerer Anteil der Einnahmen direkt an die Haushalte zurückerstattet. Damit ergeben sich sogar eine Entlastung der ärmsten Haushalte 2021 und eine geringere Netto-Belastung der ärmsten Haushalte in 2025 (orangefarbene Linien).
Abbildung 3: Finanztableau Klimapaket, Darstellung der Ausgabenkategorien
Anmerkungen: Die schraffierten Flächen zeigen Ausgaben, die durch Haushaltsmittel und Steuer-Mindereinnahmen finanziert werden, während die vollen Flächen die Posten zeigen, die durch die nationale und europäische CO2-Bepreisung finanziert werden. Quelle: Knopf 2020
Dennoch besteht weiterhin erhebliches Potenzial, die Netto-Belastung insbesondere für Haushalte mit geringem oder mittlerem Einkommen zu senken. Zwar sieht auch das Klimaschutzgesetz eine vollständige Rückerstattung der Einnahmen vor. Doch werden diese zum überwiegenden Teil für die Förderprogramme (siehe Abbildung 3) oder Steuerermäßigungen mit vermutlich regressiver Verteilungswirkung wie die Subventionierung von E-Autos oder die Erhöhung der Pendlerpauschale (Edenhofer et al. 2019b) verwendet. Insgesamt werden damit vom finanziellen Gesamtvolumen von 62 Milliarden Euro bis zum Jahr 2023 nur 25 Prozent für die Entlastung der Haushalte aufgewendet; für Klimaschutzmaßnahmen und Förderprogramme werden dagegen 47 Milliarden Euro ausgegeben (Knopf 2020). Um bei weiterhin steigenden CO2-Preisen eine gerechte Verteilung der Kosten zu gewährleisten, wäre daher eine stärkere direkte Rückerstattung notwendig: über die Senkung der Stromsteuer, der EEG-Umlage oder auch über eine direkte Rückerstattung an die Haushalte.
Globale Perspektive
Der CO2-Preis im Klimaschutzgesetz ist so angelegt, dass er langfristig das dominante Instrument einer europäisch harmonisierten Klimapolitik werden kann. Der angedeutete Paradigmenwechsel der deutschen Klimapolitik öffnet damit die Tür, die europäische und internationale Kooperation zu stärken. Dazu ist es aber notwendig, neben der europäischen auch die globale Klimapolitik neu auszurichten. Auch dort sollten sich die Verhandlungen statt auf nationale Mengenziele auf CO2-Preise konzentrieren. In Edenhofer, Kalkuhl und Ockenfels (2020) beschreiben wir ausführlich, warum so die Effektivität der Klimapolitik erhöht werden kann und wie sich etwaige Verteilungskonflikte entschärfen lassen können. Diese globale Perspektive ist letztlich entscheidend. Das Klimapaket mit seinem Paradigmenwechsel hin zu einer Bepreisung ist nämlich nicht deswegen ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, weil ein deutscher oder europäischer CO2-Preis ökonomisch effizient oder effektiv wäre; auch ein ehrgeiziger Preis in Deutschland oder Europa wird den Klimawandel nicht aufhalten können, solange nicht auch andere Länder mitmachen. Der eigentliche Grund, warum der Paradigmenwechsel hin zu einer CO2-Bepreisung wichtig ist, ist ihr potenzieller Beitrag zur Lösung des internationalen Koordinations- und Kooperationsproblems bei der Bekämpfung des Klimawandels.
Kooperation entsteht aber nicht durch ein Flickwerk selbstgesteckter nationaler und regionaler Mengenziele oder durch idiosynkratrische und notorisch ineffektive Subventionen. Ein CO2-Preis kann dagegen Fokalpunkt der internationalen Verhandlungen um wirkungsvolle Maßnahmen werden (Cramton et al. 2017). Zusammen mit konditionalen Transfers zur Einführung von CO2-Preisen in Entwicklungsländern kann dies das Ambitionsniveau im internationalen Klimaschutz deutlich erhöhen. Nichts ist wichtiger im Kampf gegen den Klimawandel. Der CO2-Preis setzt strategisch sinnvolle Anreize für die ProtagonistInnen in der internationalen Arena. Die deutsche Klimapolitik betrachtet nun den CO2-Preis nicht mehr als Ornament der bisher tragenden Säulen des Ordnungsrechts und der Fördermaßnahmen. Er kann nun selbst zur tragenden Säule werden. Wenn das langfristig gelingt, leistet Deutschland einen essenziellen Beitrag zur Stärkung der internationalen Kooperation.
Dieser Artikel ist ein Auszug aus Edenhofer, Kalkuhl und Ockenfels (2020).
Literatur
Agora (2018), Die Kosten von unterlassenem Klimaschutz für den Bundeshaushalt – Die Klimaschutzverpflichtungen Deutschlands bei Verkehr, Gebäuden und Landwirtschaft nach der EU-Effort-Sharing-Entscheidung und der EU-Climate-Action-Verordnung, Studie Agora Energiewende/Agora Verkehrswende, online verfügbar unter: www.agora-energiewende.de/fileadmin2/Projekte/2018/Non-ETS/142_Nicht-ETS-Papier_WEB.pdf.
Bundesregierung (2019), Klimaschutzprogramm 2030 der Bundesregierung zur Umsetzung des Klimaschutzplans 2050, online verfügbar unter https://www.bundesregierung.de/resource/blob/975226/1679914/e01d6bd855f09bf05cf7498e06d0a3ff/2019-10-09-klima-massnahmen-data.pdf?download=1.
Cramton, P., D.J.C. MacKay, A. Ockenfels und S. Stoft (Hrsg.) (2017), Global Carbon Pricing: The Path to Climate Cooperation, Cambridge, MIT Press.
Davis, L.W. und C.R. Knittel (2019). Are fuel economy standards regressive?, Journal of the Association of Environmental and Resource Economists 6(S1), S. 37–63.
Edenhofer, O., M. Kalkuhl und A. Ockenfels. (2020). Das Klimaschutzprogramm der Bundesregierung: Eine Wende der deutschen Klimapolitik?, Perspektiven der Wirtschaftspolitik, im Erscheinen, online verfügbar unter: https://doi.org/10.1515/pwp-2020-0001
Edenhofer, O., C. Flachsland, M. Kalkuhl, B. Knopf und M. Pahle (2019a), Optionen für eine CO2-Preisreform, MCC-PIK-Expertise für den Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, MCC Berlin.
Edenhofer, O., C. Flachsland, M. Kalkuhl, B. Knopf und M. Pahle (2019b): Bewertung des Klimapakets und nächste Schritte – CO2-Preis, sozialer Ausgleich, Europa, Monitoring, MCC Berlin.
EEA (2018), Trends and projections in Europe 2018, Tracking progress towards Europe’s climate and energy targets, EEA Report Nr. 16/2018.
Knopf, B. (2020), Das deutsche Klima-Finanzpaket, MCC Blog, online verfügbar unter: https://blog.mcc-berlin.net/post/article/das-deutsche-klima-finanzpaket-im-ueberblick.html
Levinson, A. (2019), Energy efficiency standards are more regressive than energy taxes: Theory and evidence, Journal of the Association of Environmental and Resource Economists 6(S1), S. 7–36.
SVR (2019), Aufbruch zu einer neuen Klimapolitik, Sondergutachten des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Wiesbaden.
Zuerst erschienen auf oekonomenstimme.org