Ein Preis auf CO2-Emissionen dient nicht nur dem Klima - er schafft auch mehr Gerechtigkeit im Wettbewerb und verleiht grünen Investitionen einen Schub.
In Paris haben sich 2015 nahezu alle Staaten der Welt dazu verpflichtet, den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf zwei Grad zu begrenzen – bestenfalls sogar auf 1,5 Grad. Betrachtet man die Erdatmosphäre als begrenzten Deponieraum für Treibhausgase, lässt sich das in ein Budget von etwa 700 bis 800 Milliarden Tonnen CO2 übersetzen. Zum Vergleich: Jährlich werden weltweit etwa 40 Milliarden Tonnen Kohlendioxid in die Atmosphäre ausgestoßen.
Beim derzeitigen Emissionsniveau wäre das Rest-Budget also in spätestens 20 Jahren aufgebraucht. Danach würde nur noch der Einsatz bisher kaum erforschter Technologien, die der Luft CO2 entziehen (sogenannte „Negative Emissionen“), dabei helfen, die Zwei-Grad-Grenze einzuhalten – eine äußerst riskante Wette. Wollen wir diese Wette nicht eingehen, müssen die Treibhausgas-Emissionen bis zur Mitte dieses Jahrhunderts um die Hälfte sinken, im Jahr 2100 darf es gar keine mehr geben. Die bekannten Lagerstätten weltweit enthalten etwa die 20-fache Menge des restlichen CO2-Budgets – 15.000 Milliarden Tonnen. Aufgrund dieses Überangebots ist der Markt von sich aus nicht in der Lage, die entsprechenden Preissignale zu setzen, um den gefährlichen Klimawandel abzuwenden
Nehmen die Staaten ihre Klimaziele ernst, müssen sie ihre jeweilige Wirtschaft innerhalb weniger Jahrzehnte komplett umstellen. Eine Schlüsselrolle beim Übergang ins kohlenstoffarme Zeitalter spielt die CO2-Bepreisung. Im Gegensatz zu Umweltstandards, Verboten und Subventionen nutzen CO2-Preise die Kräfte des Marktes und ermöglichten so eine kosteneffiziente (globale) Energiewende.
CO2-Preise würden zudem das Potential nachhaltiger Investments entfesseln, indem sie grünen Technologien endlich faire Wettbewerbsbedingungen verschaffen und damit einen Schub verleihen. Der CO2-Preis ist daher der natürliche Verbündete des nachhaltigen Investors.
Finanzstabilität gefährdet
Der Gouverneur der Bank of England, Mark Carney, hat bereits eindringlich vor den Gefahren des Klimawandels für die internationale Finanzstabilität gewarnt. Diese werden gemeinhin erheblich unterschätzt. Nicht nur Versicherungen, welche den Schäden durch zunehmende Extrem-Wetterereignisse besonders ausgesetzt sind, sind davon betroffen. Sogenannte „stranded assets“ können den gesamten Finanzmarkt ins Wanken bringen. Zu solchen Vermögenswerten gehören etwa Anlagen wie Kohlekraftwerke, die in Folge verschärfter Klimapolitik eine massive Abwertung erfahren. Carney fordert die volle Offenlegung derartiger Klimarisiken in den Unternehmensberichten. Das soll mehr Transparenz für Investoren schaffen, die so frühzeitig erkennen können, welche potenziellen Gefahren sich in ihrem Portfolio befinden.
Mark Carney ist nicht die einzige prominente Stimme aus dem Finanzbereich, die sich für einen vernünftigen Umgang mit den Herausforderungen des Klimawandels stark macht. IWF-Chefin Christine Lagarde und Jim Yong Kim, Präsident der Weltbank, haben sich jüngst für die Einführung von CO2-Preisen in Form von Steuern ausgesprochen. Sie fordern nicht höhere Steuern insgesamt, sondern effizientere Steuersysteme. Mit Hilfe der Einnahmen aus der Besteuerung von fossilen Energien könnten etwa verzerrende Steuern auf Arbeitseinkommen, die die Wirtschaftsleistung negativ beeinflussen, gesenkt werden. Das würde zu mehr gesamtwirtschaftlichem Wachstum und einer insgesamt besseren finanziellen Ausstattung der Staaten führen.
Marktkräfte nutzen
Neben den positiven Wirkungen für die öffentlichen Einnahmen, ist ein CO2-Preis zugleich die wirtschaftlichste Variante, die Energiewende voranzutreiben. CO2-Bepreisung veranlasst den Markt dazu, selbst den kostengünstigsten Weg zu suchen, Emissionen zu vermeiden. Dabei wird denjenigen Innovationen zum Durchbruch verholfen, die saubere Energie zum niedrigsten Preis liefern. Das heißt, mit minimalem Einsatz an Ressourcen lässt sich eine gegebene Menge an Emissionen reduzieren. Die „High Commission on Carbon Prices“ – ein Gremium hochrangiger Klimaökonomen – hat jüngst berechnet, dass ein CO2-Preis, der mit den Paris-Zielen vereinbar ist, weltweit zwischen 40 und 80 US-Dollar pro Tonne liegen müsste. Diese Zielmarke sollte bis 2020 erreicht sein. Danach müsste der Preis auf etwa 50 bis 100 Dollar steigen.
In Europa gibt es mit dem EU ETS (Emissions Trading System) bereits ein überstaatliches Handelssystem für Emissionsrechte. Das ist vom Prinzip her eine gute Sache. Das Problem ist: Mit derzeit etwas mehr als zehn Euro pro Tonne CO2 ist der Preis auf dem Emissionsmarkt immer noch viel zu niedrig, als dass er eine signifikante Wirkung entfalten könnte. Der EU ETS könnte aber „repariert“ werden. Das System braucht einen Mechanismus, der die Unsicherheit der Marktteilnehmer abbaut, ihre Preiserwartungen stabilisiert und so die Glaubwürdigkeit des Marktes wieder herstellt. Dies könnte durch einen langfristig angekündigten und kontinuierlich steigenden Mindestpreis erreicht werden. Ein solcher Mindestpreis kann nach dem Beispiel des kalifornischen ETS bei den Zertifikatsauktionen eingeführt werden. Zukünftig würden Zertifikate nur noch verkauft, wenn mindestens diese Schwelle erreicht wird. Der Effekt: Der allgemeine Marktwert eines Zertifikates würde den Mindestauktionspreis wahrscheinlich nicht unterschreiten.
Machtverschiebung auf dem Klima-Parkett
China, der aktuell größte Verursacher von Treibhausgasen, hat die Vorteile des Emissionshandels bereits erkannt. Derzeit experimentiert das Land in einigen Provinzen mit verschiedenen Systemen. Darüber hinaus gibt es konkrete Pläne für ein Emissionshandelssystem auf nationaler Ebene, das im November dieses Jahres eingeführt werden sollte. Dieser Markt für Emissionsrechte wäre der größte der Welt. Es ist entscheidend, dass die Chinesen dabei nicht die gleichen handwerklichen Fehler machen wie die Europäer. Gegenseitiger Austausch ist nötig, denn auch Europa kann im Gegenzug von den Erfahrungen in China profitieren. Neben dem Emissionshandel, hat China auch angekündigt, langfristig aus dem Verbrennungsmotor im Transportsektor aussteigen zu wollen – bereits ab 2019 sollen es verpflichtende Mindestziele für den Anteil alternativer Antriebe in Produktion und Verkauf für die Hersteller geben.
Die Chinesen scheinen sich in der Lücke, die die USA nach ihrer Absage an die Klima-Kooperation hinterlassen haben, recht wohlzufühlen. Der angekündigte Ausstieg der Vereinigten Staaten aus dem Paris-Abkommen ist zunächst natürlich ein Dämpfer für die internationale Klimazusammenarbeit. Er hat allerdings dazu geführt, dass alle anderen Nationen nun umso stärker bekräftigen, dass sie weiterhin zum Abkommen stehen. Donald Trump wird – entgegen seiner Ankündigungen – die Kohle nicht zurückbringen. Auch ein US-Präsident kann sich nicht dauerhaft gegen die Marktkräfte stellen. Da der Gaspreis in den USA derzeit extrem niedrig ist, ist die Kohlekraft dort schlichtweg nicht konkurrenzfähig. Was das Thema Klima angeht, hat Trump zudem viele Unternehmensbosse und Gouverneure von Bundesstaaten gegen sich. Mit diesen progressiven Kräften sollten wir Europäer die Klimazusammenarbeit ausbauen und forcieren.
Auch Teile der Wirtschaft für CO2-Preise
Unter Wissenschaftlern gibt es seit Langem große Einigkeit darüber, dass CO2-Bepreisung ein wirksames und effizientes Mittel ist, Emissionen zu reduzieren. Mittlerweile können sich aber auch immer mehr Unternehmensführer und Investoren für das Konzept erwärmen. Da die Wirtschaft zurecht politische Klarheit und Sicherheit für zukünftige Investitionen einfordert, hat der Widerstand gegen CO2-Steuern oder den Handel mit Emissionsrechten in den letzten Jahren abgenommen.
Unternehmen sind vor allem an gleichen Spielregeln für alle Marktteilnehmer interessiert. Wenn ein Teilnehmer mit gezinkten Karten spielt, indem er seine Produktionskosten in Form von Umweltschäden auf die Gesellschaft abwälzt, ist das kein faires Spiel gegenüber den anderen Teilnehmern. Ein CO2-Preis sorgt hingegen dafür, dass Unternehmen die wahren Kosten ihrer Produktion tragen. Die Interessen von Wirtschaft und Zivilgesellschaft werden damit zunehmend deckungsgleich.
Höhere Rendite durch CO2-Preise
Aus Sicht des nachhaltigen Investors sorgen CO2-Preise vor allem für einen fairen Wettbewerb der Technologien. Unternehmen, die mit CO2-intensiven Methoden produzieren, könnten die Kosten für Umwelt und Klima nicht mehr abwälzen, sondern müssten diese selbst tragen. Schmutzige Technologien würden so nach und nach aus dem Markt gedrängt. Innovative, saubere Technologien und Unternehmen hingegen würden relativ besser gestellt und hätten damit eine faire Chance, sich gegen die „klassische Wirtschaft“ durchzusetzen.
Die Erfolgs- und Gewinnaussichten klimafreundlicher Unternehmen – und damit die Renditeaussichten der Investoren – werden sich durch angemessene hohe CO2-Preise erheblich verbessern. In vielen Ländern ist die Solarenergie etwa schon heute die günstigste Form der Energieerzeugung – die fossilen Energien werden nur durch staatliche Subventionen und eine fehlende CO2-Bepreisung am Leben gehalten. Wir sollten diesen Irrsinn beenden. Verantwortungsvolle Investoren, die in ihren Portfolios auf nachhaltige Technologien und grüne Geschäftsideen setzen, sollten sich – allein schon aus Renditeerwägungen – für CO2-Preise stark machen.
Eine längere Fassung dieses Beitrags erschien im November 2018 in "Absolut|impact".