Die Stilllegung von Braunkohlerevieren wird Arbeitsplätze kosten. Doch die Politik muss darauf achten, nicht die Fehler der Steinkohle-Subventionierung zu wiederholen.
Noch bevor die Kommission für den Kohleausstieg Ende Juni erstmals tagen wird, steht fest: Es sind vor allem die Unternehmen, die durch den Verlust ihres Geschäftsmodells viel zu verlieren haben. Diese betonen die vielen bedrohten Arbeitsplätze, um längere Laufzeiten durchzusetzen. Die Kohlekommission sollte die Interessen der Arbeitnehmer und Regionen jedoch in den Vordergrund stellen, nicht die der Konzerne.
Richtig ist zwar: Gutbezahlte Jobs werden verloren gehen. Trotzdem greift die Gegenüberstellung der Konzerne von Arbeitnehmerinteressen einerseits und Klimaschutz andererseits zu kurz. Je mehr dreckiger Kohlestrom im Netz ist, desto geringer die Nachfrage nach sauberer Stromerzeugung – Kohlestrom verhindert so Beschäftigung in Gaskraftwerken und erneuerbaren Energien. Wenn der Kohleausstieg kommt, ist das zwar für die Beschäftigten in der Kohleindustrie kein Trost. Doch die Zahl der Betroffenen ist kleiner als oft angenommen – und ihnen kann vergleichsweise leicht geholfen werden.
Selbst wenn im Zuge des Kohleausstiegs tausende Stellen gestrichen werden, ist das Gros des Beschäftigungsabbaus in der Braunkohle längst vorbei. Nicht allen derzeit Beschäftigten droht dann Arbeitslosigkeit. Schon jetzt verlassen ohnehin rund zehn Prozent der Beschäftigten jährlich die Braunkohleindustrie – der Hauptgrund: Ruhestand. Der Altersdurchschnitt in der Braunkohle ist hoch, ein Drittel der Beschäftigten ist über 55 Jahre alt. Richtig ist: Gerade ältere Arbeitnehmer werden mit hohen Gehaltseinbußen zu rechnen haben, wenn sie aus der Kohleindustrie in eine andere Branche wechseln. Denn Jobs in der deutschen Braunkohle sind gut bezahlt.
Die Chancen, eine andere Stelle zu finden, waren jedoch noch nie so günstig wie jetzt. In Brandenburg und Sachsen liegt die Arbeitslosenquote bei rund sechs Prozent und ist damit so niedrig wie seit der Wende nicht mehr. Die Politik sollte daher auf einen schnellen Ausstieg drängen und auf direkte Hilfen für die Beschäftigten setzen. Dafür gibt es gleich mehrere Möglichkeiten.
Erstens: Um Gehaltseinbußen zu vermeiden, könnte die Lohndifferenz zum neuen Job erstattet werden. Eine solche „Entgeltsicherung“ gibt es schon – allerdings nur für über 50-jährige Arbeitslose.
Wenn diese einen neuen Job annehmen, in dem sie weniger verdienen als ihrem vorigen, wird für 24 Monate die Differenz erstattet. Es wäre vorstellbar, allen Braunkohlebeschäftigten eine solche Lohngarantie anzubieten, auch jüngeren – und auch für Jobwechsel, die ohne Arbeitslosigkeit vollzogen werden. Zweitens: Bergarbeiter in der Steinkohle haben die Möglichkeit durch eine Kombination verschiedener Leistungen besonders früh in den Vorruhestand zu gehen. Warum sollte das nicht auch für Beschäftigte im Braunkohletagebau möglich sein? Drittens: Ganz unbürokratisch könnte jedem Arbeitnehmer ein befristetes bedingungsloses Grundeinkommen gezahlt werden.
Die Kosten für solche Maßnahmen sind überschaubar. Anstatt direkter Zahlungen an die Beschäftigten wurden in der Vergangenheit jedoch oft mit Verweis auf Arbeitsplätze Maßnahmen beschlossen, die vor allem den Konzernen dienten, und nicht in erster Linie den Beschäftigten. Staat und Stromkunden kam diese Politik indes teuer zu stehen.
Beispiel Steinkohlebergbau: Nach über 60 Jahren Förderung durch die Politik kommt in diesem Jahr das Ende der Steinkohle. Zuletzt gab es immer noch über eine Milliarde Euro Subventionen – pro Jahr. Damit hätte man jedem der rund 5000 Beschäftigten 200.000 Euro zahlen können – in diesem einen Jahr. Doch nur ein Bruchteil der Subventionen ging direkt an die Beschäftigten. Gelohnt haben sich die Subventionen vor allem für die Kohleindustrie. Unbehindert von Wettbewerbern und mit staatlicher Abnahmegarantie ließen sich besonders bequem Gewinne einfahren.
Beispiel Braunkohlereserve: Unter dem Stichwort „Sicherheitsbereitschaft“ werden seit fast zwei Jahren Kraftwerksbetreiber dafür bezahlt, dass sie keine Braunkohle verfeuern. Ein lohnendes Geschäft. Denn lediglich falls es einen Notfall in der Stromversorgung gibt, müssen sie einspringen können – zehn Tage später. Ein vorhersehbarer Notfall ist aber noch nicht eingetreten und wird es wahrscheinlich nie.
Dieses Jahr sind 149 Millionen Euro für die Braunkohlereserve angesetzt. Politisch lanciert worden war der Vorschlag von der Gewerkschaft. Ihr Ziel lautete, trotz des Kohleausstiegs Jobs zu erhalten. Doch stellt sich die Frage, zu welchen Kosten hier wieviel Beschäftigung gesichert wurde: Von den Beschäftigten im Kraftwerk Buschhaus, dem ersten Braunkohlekraftwerk, das in die Reserve gestellt wurde, sollen weniger als ein Drittel ihren Arbeitsplatz behalten haben.
Um beim Kohleausstieg aber tatsächlich Arbeitnehmerinteressen gerecht zu werden, sollte die Politik den Beschäftigten mit direkter, unbürokratischer Hilfe unter die Arme greifen. Diese erhält auch die Kaufkraft in der Region. Kommunal- und Landespolitik haben darüber hinaus die Pflicht, alles zu tun, damit in den betroffenen Regionen nachhaltige Arbeitsplätze entstehen.
Doch klar ist: Die Kohleindustrie bietet diese Perspektive nicht. Die Politik sollte den betroffenen Beschäftigten und Regionen helfen – und zügig aus der Kohle aussteigen.
Dieser Beitrag ist zuerst in Tagesspiegel Background erschienen.